Wir fahren los und natürlich realisiert man in diesem Moment nicht, dass man ein Jahr lang nicht zurückkommt. Wir fahren los und es fühlt sich an wie "in den Urlaub starten". Wir fahren los und sind vor allem erleichtert, dass die letzten Tage hinter uns liegen. Wir hatten nach unserem letzten Arbeitstag eine Woche Zeit und trotz aller Vorbereitungen der letzten Monate hat diese Woche nicht gereicht... packen, nötige Reperaturen zuende bringen, angefangene Listen mit nützlichen Infos zu Ländern zusammentragen, alte Handys als Backups reaktivieren, neue SIM Karten kaufen, sich von Freund*innen und Familie verabschieden, Telefonate führen, Klamotten wiegen – und wieder Dinge aussortieren.. jedes Gramm im Wohnwagen zählt, Daniels Wohnung vorbereiten, Alarmanlage installieren, letzte Filme, Hörbücher und Musik rippen für die externe Festplatte und die "Winterunterhaltung" bei Regen und Kälte, Versicherungsunterlagen zusammensuchen und am letzten Abend noch über Patientenverfügung und Vorsorgevollmachten sprechen... Wir fahren los und wissen, wir haben nicht alles geschafft und ich denke an die lieben Menschen, die ich eigentlich noch treffen wollte und nicht mehr konnte (Paula, Juli, Anita, Iris, Jule, Karin ihr seid hier🖤 Sonni, Chris, Lena, Anke, Berit, Michael, Waddy, Wiebke, Benno, Alexandra - soo schön euch wenigstens noch kurz gesehen oder gesprochen zu haben! Das hat viel bedeutet) und ich denke an noch 10 offene Kleinigkeiten und die schmutzige Wäsche, die es nicht mehr in die Maschine geschafft hat und in Daniels Wäschekorb gammelt (DANKE Petra fürs Waschen <3 ) Wir fahren los und es gelingt mir nach und nach loszulassen, rückblickend gar ein wenig stolz zu sein, dass man es geschafft hat... all die Monate Arbeitsalltag und Stress und währenddessen meine Wohnung aufgelöst und 2 Umzüge gewuppt (Danke Dennis und Judith für die perfekte Überbrückung in Heiligenrode) meine Trauergruppen verabschiedet, gesundheitlichen Sche** ausgehalten, den Mut, den Job zu verlassen, der viel Sichherheit bietet und mir so wundervolle Kolleg*innen schenkt, so viel Zeit zu später Stunde investiert um Reiseführer und Blogs zu lesen um eine Route zu entwickeln, so viele Gespräche miteinander geführt, um über Vorstellungen, Wünsche und Befürchtungen zu sprechen.. Ja, ich bin ein bisschen stolz, dass wir nun losfahren, dass wir es geschafft haben, unseren Plan tatsächlich in die Tat umzusetzen. See you next year!
Abfahrt. Danke für die schöne Verabschiedung!
Erster Halt Strandbad und Camping Oderbruch
Ein Tag chillen, schwimmen und gegen Ameisen kämpfen am Baggersee Gusow
Zamek Bolczów
Wąwóz Bolechowicki
Zamek Rabsztyn
Persönliches
Zamek Bydlin
Krakau
Wahrscheinlich wird bei unseren ersten Unternehmungen schnell deutlich, was die "Steine" in Steine, Strand und Städte bedeuten: wir lieben alte Gemäuer, Ruinen, Burgen, Ausgrabungen, Tempel, Überbleibsel aus vergangenen Zeiten. Da wo viele Andere erfüllt sind vom "bloßen" Wandern, kombinieren wir unsere Wege durch die Natur in der Regel mit der Suche nach "Steinen". In heimischen Gefilden sind dies oft die Spuren der Megalithkultur (rituelle Bauten, oft Grabstätten, die aus sehr großen Steinen errichtet wurden, vor allem aus der Jungsteinzeit/ Neolithikum / Trichterbecherkultur, in Mitteleuropa ca. 5100–2200 v. Chr. Wir haben in Delmenhorst das Glück, dass die "Straße der Megalithkultur", ein Teil der European Route of Megalithic Culture, quasi vor der Haustür entlangläuft und ich kann Interessierten nur empfehlen, sich in den Wäldern und Feldern zwischen Wildeshauser Geest, Osnabrück und Emsland diese archäologischen Funde anzuschauen – oft mystische Orte mit besonderer Stimmung. https://www.strassedermegalithkultur.de/de/33-spannende-megalith-stationen ) Unsere Urlaube kreisen immer um das Kennenlernen und Erleben von alten und neuen Kulturen und "Steine" ist für uns ein Synonym für das Widerspiegeln der Geschichte in genau diesen.
Und so beginnen wir in Polen, einem Land mit unglaublich vielen Burgen, Schlössern und Ruinen, mit
Zamek Bolczów/ Burg Bolzenschloss
welches 1374 erstmal erwähnt und wie so viele Burgen mehrfach neu erorbert, halb zerstört, wieder aufgebaut, verteidigt und verloren wurde. Es gehört zum Kulturpark Hirscherger Tal, einem großen Talkessel auf der schlesischen Nordseite der Westsudeten. Der Aufstieg ist steil und geht über unebenen Waldboden, Stock und Stein, kleine Wasserläufe. Nach einer Stunde bin ich oben, Daniel ist natürlich schneller. Belohnt wird man mit einer wunderschönen Felsenburg.
Zamek Rabsztyn / Burg Rabenstein
Die Burg Rabsztyn liegt oberhalb des gleichnamigen Ortes bei Olkusz in der Woiwodschaft Kleinpolen. Sie gehört zu den sogenannten „Adlerhorst“-Burgen, einer Kette mittelalterlicher Befestigungen, die im 14. Jahrhundert an der damaligen Grenze zwischen dem Königreich Polen und Böhmen errichtet wurden. Bereits im 13. Jahrhundert befand sich an dieser Stelle eine erste Befestigung. Unter König Kasimir dem Großen wurde die Anlage ausgebaut, um die Region zu sichern. Im 16. Jahrhundert erhielt die Burg ein repräsentatives Renaissanceschloss, das den unteren Teil der Anlage bildete. Die obere Burg, auf einem Felsen errichtet, diente als Wehr- und Wohnbereich. Während der schwedischen Invasion 1657 wurde Rabsztyn schwer beschädigt und anschließend nicht wieder vollständig aufgebaut. Erst in den 90er Jahren erfolgten Instandsetzungarbeiten. Für unseren Geschmack war es fast zu gut saniert. Die Außenansicht ist das schönste, im Inneren gab ein Café, Ritterspiele für Kinder... ein wenig zu touristisch aber für Familen sicher lohnenswert.
Zamek Bydlin / Burg Bydlin und Hügel des Heiligen Kreuzes
Die Burgruine Bydlin steht auf einem bewaldeten Hügel im Krakau-Tschenstochauer Jura. Die Anlage geht auf das 14. Jahrhundert zurück und wurde wahrscheinlich von dem Ritter Niemierza oder seinem Vater Pełka errichtet. Mitte des 16. Jahrhunderts diente sie als arianische, später als katholische Wehrkirche unter dem Patrozinium des Heiligen Kreuzes. Nach Zerstörungen im Jahr 1655 und einem Wiederaufbau im 17. Jahrhundert verfiel sie bis Ende des 18. Jahrhunderts.
Der Hügel auf dem die Burg thront bezeichnet sich ebenfalls nach dem Heiligen Kreuz. Während des Ersten Weltkriegs, im November 1914, gruben polnische Legionäre umfangreiche Schützengräben in den Hang. In der Schlacht von Krzywopłoty (17.–18. November) verteidigten etwa 440 Legionäre den Hügel gegen russische Einheiten – sie konnten den Angriff stoppen, erlitten aber schwere Verluste: 46 Tote sowie 131 Verwundete oder Gefangene. Alle Toten wurden auf dem Friedhof Bydlin begraben; dort erinnert ein sieben Meter hohes steinernes Kreuz an sie. Wie so oft wird einem die Sinnlosigkeit des Krieges bewusst: junge Männer, wahllos hierher geschickt, um einen unbedeutenden Hügel zu verteidigen und dafür zu sterben.
Krakau
Krakau gilt als eine der schönsten Städte Polens und war über Jahrhunderte das politische und kulturelle Zentrum des Landes. Die gut erhaltene Altstadt mit dem imposanten Marktplatz, den Tuchhallen und der Marienkirche gehört zum UNESCO-Welterbe. Wir sind etwas erschlagen vom Trubel zur Hauptsaison. Die Stadt ist voll – Touristen strömen durch die Straßen und suchen die besten Fotospots, alle paar Meter wird man angesprochen und soll zu einer Stadtrundfahrt in der Rikscha überredet werden. Wir schlendern durch die Gassen, merken schnell, dass uns das Getümmel zu viel ist. Wir schießen einige Fotos auf dem Marktplatz, haben aber keine Lust auf Warteschlangen an der Marienkirche oder den Tuchhallen. Es kann schön sein, sich ohne Druck und Plan treiben zu lassen und so landen wir in einem großen Candy Shop – sonst nicht so unser Style aber heute haben wir Lust,
uns kandierte Nüsse, Schokokirschen und anderen Kindheitserinnerungskram zu kaufen und wir legen eine Zuckerpause in einem schönen Café ein. Wir genießen Kaffee, Süßkram und den Blick auf die Bazylika Dominikanów pw. Świętej Trójcy / Basilika der Heiligen Dreifaltigkeit, einer gotischen Klosterkirche der Dominikaner.
Wir ziehen weiter nach Kazimierz, dem jüdischen Stadtteil von Krakau.
In Kazimierz lebte seit dem Mittelalter eine große jüdische Gemeinschaft, die die Kultur der Stadt stark prägte. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wohnten in Krakau über 64000 Juden und Jüd*innen, etwa 25% der Gesamtbevölkerung. Nach den Zwangsdeportationen blieben noch etwa 16000 übrig. Während des Krieges wurde die jüdische Bevölkerung in das Ghetto von Podgórze gezwungen. Dieses war von einer drei Meter hohen Mauer umgeben, deren Rundbogenbekrönung bewusst jüdischen Grabsteinen – einer Mazewa – nachgebildet war. Familien lebten hier seit 1941 in überfüllten Wohnungen; Hunger, Zwangsarbeit und Gewalt prägten den Alltag. Immer wieder kam es zu Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager, insbesondere nach Bełżec. Am 13. und 14. März 1943 erfolgte die endgültige Auflösung des Krakauer Ghettos durch die deutschen Besatzungsbehörden. Ein Teil der Bewohner wurde in das Konzentrationslager Plaszów deportiert, andere unmittelbar vor Ort ermordet. Heute erinnert der Bohaterów-Getta-Platz an diese Ereignisse. Das dort errichtete Mahnmal besteht aus zahlreichen leeren Stühlen, die auf dem Platz verteilt sind. Sie symbolisieren die Enteignung des persönlichen Lebensraums, die gewaltvoll vertriebenen Menschen und die große Leere, die der Holocaust in Krakau hinterlassen hat. Heute sind vom Ghetto nur noch Teile der Mauer erhalten. Die Inschrift, die hier angebracht ist lautet: „Hier haben sie gelebt und gelitten und sind von den Nazi-Henkern ermordet worden.Von hier aus führte ihr letzter Weg in Vernichtungslager.“
In dieser Gleichzeitigkeit (von Tourist*in sein, sich der Geschichte widmen und dem Erleben des heutigen Krakau) die Straßen entlangzulaufen fällt hier und da schwer. Man möchte diese Orte sehen, ist es schuldig, wie könnte man sich dem entziehen – gerade als Deutsche*r. Und zur selben Zeit blüht das heutige Leben auf den Straßen. Kazimierz ist ein lebendiges Viertel mit Cafés, Restaurants und Kulturveranstaltungen. Hier findet man Synagogen, kleine Höfe, Friedhöfe und koschere Einkaufsmöglichkeiten, kleine Lädchen, handgemachte Souvenirs, kreative Dinge. Wir holen uns am Plac Nowy, wo sich ein Stand an den anderen reiht, ein typisches Krakauer Streetfood - ein Zapienka. Es ist ein großes Baguette, im Ofen überbacken mit verschiedensten Belägen und getoppt mit scharfer Sauce, Knoblauchdip oder Ketchup.
Der Film Schindlers Liste wurde in Krakau gedreht – viele Szenen wurden in Kazimierz aufgenommen. Außerdem befindet sich die "Fabryka Emalia Oskara Schindlera", also die Emailllewarenfabrik von Oskar Schindler in Podgórze. Sie ist heute ein Museum und beherbergt die Ausstellung „Krakau unter der deutschen Besatzung 1939–1945 ". Gerne hätten wir die Fabrik besucht und natürlich war unser Vorhaben das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zu besichtigen. Beide Ziele sind wir wohl etwas zu naiv angegangen: die nächsten Slots für einen Besuch von Schindlers Fabrik wären im September frei gewesen und auch wenn ich 3 Wochen im Vorfeld versucht habe, Karten für das KZ Auschwitz zu bekommen, war das bei weitem nicht genug Vorlauf. Die nächste buchbare Option wäre für Ende Oktober gewesen.
Wir schauen uns den Hof der Jozefa 12 an – hier wurde für den Film die Deportation aus dem Ghetto gedreht. Auch hier begegnet uns wieder beides: Erinnerungskultur und heutiges Leben. Es gibt Gedenktafeln und Texte und daneben Lädchen, eine Parfümerie, ein Biergarten und Galerien.
Wir laufen Richtung Süden und überqueren die Weichsel auf der Pater-Laetus-Bernatek-Brücke. Sie verbindet Kazimierz und Podgorze. Neun akrobatische Figuren des polnischen Bilhauers Jerzy Kędziora schweben über unseren Köpfen.
Wir erreichen den Bohaterów-Getta-Platz und das Mahnmal der leeren Stühle. Ein paar Straßen weiter finden wir die Überreste der Ghetto Mauer. Wir fahren mit der Straßenbahn zurück zu unserem P&R außerhalb der Stadt und verabschieden uns von Krakau.
Wąwóz Bolechowicki
Die Wąwóz Bolechowicki ist eine kleine, aber eindrucksvolle Kalksteinschlucht im Krakau-Tschenstochauer Jura, nur wenige Kilometer von Krakau entfernt. Schon am Eingang ragen zwei markante
Felswände, die sogenannten „Brama Bolechowicka“, wie ein steinernes Tor in die Höhe. Dahinter führt ein idyllischer Weg durch die enge Schlucht, vorbei an steilen Felsen und Höhlen. Besonders
beliebt ist das Gebiet bei Sportkletterer*innen. Wir verweilen ein bisschen und beobachten die Menschen die klettern, bouldern, highlinen...
Gedanken, Eindrücke, Persönliches
Ein paar weitere Gechichten, Gedanken und Eindrücke von unserer Reise durch Polen.
Übertriebener Jesus im katholischen Polen
Wir fahren durch Zufall an einer der größten Christus Statuen der Welt vorbei. Die Christus-König-Statue (Pomnik Chrystusa Króla) in Świebodzin, Westpolen wurde 2010 fertiggestellt. Sie ist
inklusive Krone und Sockel rund 36 Meter hoch (mit Hügel ca. 52 Meter) und überragt damit sogar die bekannte Statue „Christus der Erlöser“ in Rio de Janeiro. Errichtet auf Initiative eines
örtlichen Pfarrers, gilt sie heute als weithin sichtbares Wahrzeichen und Pilgerziel.
Landschaftzugehörigkeitsfragen
Wir fahren an Opole vorbei, der Heimat meines Uropas väterlicherseits. Ich schaue schon viele Kilometer aus dem Fenster. Die Landschaft ist Teil der Schlesischen Tiefebene und zeigt sich überwiegend flach bis sanft hügelig. Weite Felder und Ackerflächen prägen das Bild, dazwischen liegen kleine Wälder, Dörfer und Baumreihen. Ich frage mich, ob und wie die Affinität zu bestimmten Landschaften in uns steckt/ ob sie irgendwie sogar vererbt werden kann? Warum zieht es manche Menschen immer in die Berge, andere ans Meer? Ich mochte die Berge nie, weder als Urlaubsziel noch in meiner Heimat. Es liegt nicht nur an meiner Aversion gegen Siegen als Stadt - auch die Umgebung, die für viele reizvoll ist (Rothaargebirge, tiefe Wälder, Wanderpfade) fühlte sich für mich immer beengt und dunkel an. Nun schaue ich in die schlesische Weite wo Opa Albert herkommt und denke, dass ich vielleicht nicht umsonst im Norden gelandet bin. (Mareike aus meiner TBA Gruppe würde natürlich insistieren, dass Bremen nicht der Norden ist ;-) Grüße nach Niebüll!) Das Umland von Bremen und Delmenhorst, die weite, flache Kulturlandschaft aus Feldern, Moor- und Geestflächen fühlte sich sofort "richtig" an, als könnte ich hier her gehören. Und eine weitere flache Gegend kommt mir in den Sinn - die Polderlandschaft in Westflandern, wo ich mit meinen Eltern, seit ich klein war, unseren jährlichen Familienurlaub verbringe. Mein Großvater, den wir nie kennenlernten, kam von hier. Noch mehr Wurzeln in einer Tiefebene?! Seit ich die Bilder von Gustave de Smet gesehen habe, könnte ich in das ein oder andere hineinklettern und dort wohnen. Für viele mag es langweilig anmuten, aber auch hier habe ich das Gefühl von einer Art Zugehörigkeit... Felder, Wiesen und kleine Gehöfte, dazwischen Alleen, Kanäle und Wassergräben. Für mich fühlt es sich weit, frei und offen an. So wie gerade in Schlesien.
Reisen, Ruhen, Reparieren
Schon im ersten Land, das wir durchfahren wird deutlich: wir müssen uns freimachen von zu hohen Ansprüchen, so viel wie möglich sehen zu wollen. Polen und viele andere Länder die wir besuchen werden sind riesig! Auch wenn wir uns immer wieder sagen, dass es nur ein "Reinfühlen" sein kann, dass wir nach unserer Stipvisite einen kleinen Bruchteil an Eindrücken mitnehmen können, so neigt man doch dazu immer ein wenig zu viel auf dem Zettel zu haben. Wir werden uns noch eingrooven müssen. Wie kann eine gute Mischung gelingen aus Sehenswürdigkeiten und Orte besuchen, einfach mal "nur sein", einen Alltag im Wohnwagen entwickeln, Notwendigkeiten erledigen, Zeit finden um Kontakt zu Freund*innen und Familie aufrechtzuerhalten... Die ersten Tage und Wochen stellen uns auf jeden Fall schon vor einige Herausforderungen. Wir haben damit gerechnet, dass Dinge kaputt gehen, wir etwas vergessen haben, Daniel am Wohnwagen schrauben muss. Aber schon in Polen hält uns das Thema "Reperaturarbeiten" auf Trab. Spoiler: es wird nicht besser. In allen folgenden Ländern werden wir Baumärkte besuchen, Nerven, Schweiß und Geld lassen beim Improvisieren, Reparieren, Fixieren. Ihr denkt, wir schauen uns viele Burgen an? Wenn ich aufschreiben würde, wie oft wir in den letzten Wochen im Hornbach, OBI und Co waren... Dies sind übrigens (zusammen mit den Lebensmitteldiscountern Lidl, Kaufland, Penny und Spar) in Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien die großen Firmen.. erst ab Serbien geht's los mit Eigenmarken und unbekannten Geschäften.
Hier ein kleiner Überblick der To Dos der letzten Wochen:
Scharnier in einem Bett gebrochen, Latten in Bett 2 gebrochen, Anhängerkupplung lässt sich nicht mehr einfahren, Werkstatt in Polen suchen, Bremslicht Wohnwagen kaputt, Nummernschild Auto
verbogen, jede Woche Boardnetz-Probleme durch - wie befürchtet - abenteuerliche Stromversorgung in Osteuropa, Kühlschranktür rausgebrochen, Fenster rasten nicht ein, Fenster rasten nicht wieder
aus, Batteriespannung an Board fehlerhaft, Batterie kaputt? Bauen eines neuen "Verstauungs- und Verzurrungssystems" damit auf den holprigen Straßen nicht alles (was sonst immer alle Fahrten gut
überlebte) durch die Gegend fliegt, Schrauben die durch die Wände austreten – ebenfalls durch zu viel Reibung/Bewegung auf schlechten Straßen, neues Schienensystem für Boxen in der Serviceklappe
gebaut, damit die Schläuche zur Pumpe weniger belastet werden – Überraschung: natürlich durch zu viel Gerumpel auf den Straßen, Dichtungen undicht, Silikonerneuerungen, neue Halterung für unseren
Tisch, damit dieser nicht gegen die Sitzecke poltert...
Noch haben wir alles hinbekommen und es hat uns die Lust auf das Campingleben auch nicht gemindert. Es gibt nur immer wieder Tage, an denen es nervt. Da möchte man mal irgendwo ankommen, nicht
einkaufen müssen, nichts reparieren müssen, nichts durchdenken müssen. Hinzu kommen natürlich weitere Planungsarbeiten, die viel Zeit in Anspruch nehmen: wir müssen sorgfältig unsere Routen
planen, da man mit Wohnwagen weniger robust unterwegs ist als mit einem Wohnmobil. Per Streetview werden Straßen begutachet und versucht "Google Abkürzungen" zu vermeiden. Es müssen Campingplätze
rausgesucht werden, die eingermaßen zu erreichen sind und man nicht gleich bei der Anfahrt einen Achsenbruch erleidet. Kann man mit Kreditkarte zahlen (meistens nicht) und wo finden wir einen
ATM, der nicht horende Gebühren für Bargeldabhebungen verlangt. Es müssen Tagestouren geplant werden – wann machen wir was und welche Sehenswürdigkeiten möchten wir anschauen. Es muss
recherchiert werden wann und wo wir Wäsche waschen können, spielt das Wetter mit, bleiben wir beim Wohnwagen um sie im Zweifelsfall abnehmen zu können. Und natürlich der "normale" Altagskram wie
Einkaufen, Spülen, Kochen, Ordnung halten, putzen.
Wahrscheinlich erschließt sich nun ein wenig, warum sich der Start dieses Reiseblogs verzögert hat und wir noch keine Fotos herumgeschickt haben. Abends um 21 Uhr sind wir in der Regel so bedient, dass wir im Bett liegen, 10 Minuten Hörbuch hören und einschlafen. Außerdem haben wir leider in den wenigsten Fällen stabiles Internet und Handyempfang. Ich hoffe auf ein wenig Entschleunigung in der nächsten Zeit und dann geht es weiter mit unserem Abstecher nach Ungarn, einem kurzen Aufenhalt in der Slowakei und unserer Zeit in Rumänien!
Zu guter Letzt ein allgemeines Statement, das uns wichtig ist.
Während wir in Polen die Schrecken des Nazi Regimes vor Augen haben und uns mit der jüdischen Geschichte auseinandersetzen, verfolgen wir in der Jetzt-Zeit weiterhin die Berichte aus Gaza. Dieser Blog soll keine Plattform sein für die Ausführung unserer politischen Haltung. Aber da die meisten von Euch diese kennen, dürfte Euch ebenso klar sein, dass wir nicht daran glauben, dass man unpolitisch sein kann. Weder im Alltag zuhause noch auf Reisen. Unser Einkaufszettel ist ein Wahlzettel, unser Konsumverhalten hat Konsequenzen, die kleinen und großen Entscheidungen die wir treffen, die Gespräche die wir führen, die Gedanken die wir uns machen und artikulieren - all das hat Auswirkungen, hat Bedeutung. Die Realität des Völkermordes in Gaza und die Kriegsverbrechen durch die Regierung Netanjahu blenden wir genauso wenig aus wie rechten und menschenfeindlichen Regierungen, die in einigen unserer Reise-Länder an der Macht sind. (Ach was rede ich von Rechtspopulisten im Ausland. In Deutschland ist die AFD 2. stärkste Kraft und Friedrich Merz, Bestfriend der Wirtschaftslobby, Rechtsaußen-Rhetoriker und Komplett-Leugner von sozialen und ökologischen Verantwortlichkeiten ist König von Deutschland) Wir versuchen einen erträglichen Weg zu finden – zwischen dem Genießen unserer Reise, dem stellenweise Abstreifen unserer Misanthropie und dem Offensein für Begegnungen, manchmal gar dem Ausblenden aller Konflikte um sich hineinfallen zu lassen in das große Abenteuer... und dem Haltung wahren, die Augen nicht verschließen, diskutieren, aushalten, mitleiden. Es ist anstrengend, kostet Kraft aber ist alternativlos.