Slowakei und Ungarn



Beckovský hrad


Čachtický hrad


Tatra


Spišský hrad



Sivá Brada


Budapest


Puszta



Beckovský hrad / Burg Beckov


Auf einem markanten Felsen über dem Tal des Flusses Váh thront die Burgruine Beckov – eine der eindrucksvollsten Festungen der Westslowakei. Schon von Weitem wirkt sie, als wäre sie direkt aus dem Felsen gewachsen.

Älter als die Burg selbst: Der Platz war schon lange vor dem Mittelalter besiedelt. Archäologische Funde deuten auf eine keltische Siedlung in der späten Latènezeit (50 v.Chr.) hin. Im 9. Jahrhundert nutzten Slawen den Felsen als Befestigungsareal im Reich der Großmähren. Später entstand die Burgstätte, die ab dem 13. Jahrhundert zu einer steinernen Königsburg ausgebaut wurde. Bereits um 1200 erwähnt die mittelalterliche Chronik Gesta Hungarorum den Ort als „alt“ – was seine lange Bedeutung als strategischer und symbolischer Punkt deutlich macht.

Bei einem Rundgang durch die heutige Ruine lassen sich Reste von Wohngebäuden, Türmen und Mauern entdecken. Tafeln und kleine Ausstellungen erzählen die wechselvolle Geschichte der Burg.

Besonders reizvoll ist der Blick von der Burgmauer auf das Tal und die umliegenden Hügel. Im Sommer wird die Ruine zudem mit Leben gefüllt: Kulturveranstaltungen, Ritterspiele und Konzerte lassen die alte Festung neu aufblühen.

Wer durch die Westslowakei reist, sollte sich Beckov nicht entgehen lassen. Der jüdische Friedhof aus dem 19. Jahrhundert, der sich unterhalb der Burg befindet, ist ein geschütztes Kulturdenkmal.

 

* alle Fotos sind stets per Klick vergrößerbar und können dann weitergeklickt werden

 

Čachtický hrad / Burg Schächtitz

 

Die "Bathory Burg" – Geschichtliche Relevanz und/oder Faszination des Grauens

 

Ein schöner aber wie immer recht anstrengender Weg führt uns hinauf zur Burg und wenn man den Aufstieg geschafft hat, bietet sich ein beeindruckender Blick über die Kleinen Karpaten (Malé Karpaty). Die Anlage der heutigen Burgruine Čachtice entstand im 13. Jahrhundert als Teil der ungarischen Grenzbefestigungen gegen die Tataren und entwickelte sich später zu einer mächtigen Festung. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Burg mehrfach den Besitzer und wurde stetig ausgebaut, ehe sie im 18. Jahrhundert verfiel. Berühmtheit erlangte Čachtice vor allem durch ihre wohl bekannteste Bewohnerin: Gräfin Erzsébet Báthory (1560–1614). Sie ging als „Blutgräfin“ in die Legenden ein.

 

Elisabeth Báthory (verheiratet als Elisabeth Nádasdy; im ungarischen: Erzsébet Báthory, im slowakischen: Alžbeta Bátoriová/Báthoryová) war eine ungarische Adlige aus dem mächtigen Haus Báthory und Ehefrau des Feldherren Ferenc Nádasdy. Nach seinem Tod 1604 verwaltete sie dessen umfangreichen Besitz, zu dem auch die Burg Čachtice gehörte. Nach dem Tod ihres Bruders Stephan im Jahr 1605 erreichte Erzsébet Báthory den Höhepunkt ihrer Macht. Ihr gehörten nun weitläufige Besitztümer, die sich von Transsilvanien bis nach Österreich erstreckten, mit einem Schwerpunkt in Oberungarn, der heutigen Slowakei. Dazu zählten neben umfangreichen Ländereien und Weingärten auch bedeutende Burgen und Städte wie Beckov, Sárvár, Leka, Illava oder Devín an der Donau, einer der strategisch wichtigsten Orte oberhalb von Pressburg (Bratislava). Zusätzlich verfügte sie über Stadthäuser in Wien, Sopron, Trnava und Piešťany. Kaum eine andere Adlige ihrer Zeit vereinte derart viel Grundbesitz und Einfluss in ihrer Hand – ein Machtfaktor, der auch zur Legendenbildung um ihre Person beitrug. Ihren Ruf als eine der berüchtigtsten Serienmörderinnen aller Zeiten verdankt sie zahlreichen grausigen Geschichten über ihre Folter- und Mordlust. Angeblich soll sie hunderte junge Frauen gefoltert und getötet haben. Eine besonders dramatische Anekdote, die wahrscheinlich alle kennen, erzählt, sie habe im Blut ihrer jungfräulichen Opfer gebadet, um ewige Jugend zu erlangen. Im Dezember 1610 ließ der ungarische Palatin Georg Thurzo die Burg Čachtice stürmen und durchsuchen. Kurz darauf wurde Erzsébet des vielfachen Mordes beschuldigt und 1611 unter Hausarrest gestellt. Die Prozesse fanden in Bytča statt – einer auf Ungarisch, einer auf Latein. Während ihre Gehilfen teils grausam hingerichtet wurden, blieb Erzsébet aufgrund ihres hohen Standes von der Todesstrafe verschont. Sie wurde jedoch dauerhaft auf Burg Čachtice eingesperrt. Man mauerte sie in einen Turm der Festung ein, der nur durch kleine Schlitze zur Versorgung mit Nahrung und Wasser zugänglich war. Dort verbrachte sie die letzten Jahre ihres Lebens, bis sie 1614 starb. Historiker*innen sind sich heute uneins, inwieweit die Berichte auf tatsächlichen Ereignissen, politischen Intrigen oder reiner Legendenbildung beruhen. Einerseits verweisen Quellen, wie im Buch von Michael Farin, auf über 300 Zeug*innen der Gräuel durch die Baronin. Andererseits stellen Forscher*innen wie die britische Wissenschaftlerin Annouchka Bayley die Darstellung der Gräfin als grausame Mörderin infrage: Sie vermuten eine politische Intrige gegen eine mächtige, unabhängige Frau. Andere glauben an eine Verschwörung des verfeindeten Hauses Habsburg gegen die Báthorys.

 

Was festeht: Die Legenden um Erzsébet Báthory beschäftigen Menschen bis heute. In unserer "Bubble" sind es vor allem Metalbands wie Venom, Slayer, Bathory, Cradle of Filth, Sunn O))) uvm. die sich in ihren Texten mit Geschichten von Báthory auseinandersetzen. Auch wenn ich gerade im Metalbereich immer wieder hinterfrage, auf welche Weise Themen wie Gewalt, Krieg und Zerstörung bearbeitet werden (ist es ein Aufzeigen und echtes Auseinandersetzen damit, dass die Welt, die Realität, das Leben deprimierend, gewaltvoll und grausam sind, oder ist es nur ein Wiederholen und bloße Darstellung von Schrecken ohne Reflexion) so lässt sich nicht leugnen, dass Menschen schon immer fasziniert waren vom "Bösen". Und es ärgert es mich dann wieder, dass bestimmte Bands und deren Texte z.B. in Folge von Amokläufen immer wieder in den Fokus von ahnungsloser Mainstream-Berichterstattung geraten, anstatt sich auch einmal damit auseinanderzusetzen, wie groß der "True Crime Markt" ist, wie selbstverständlich Menschen sich immer wieder die schlimmsten Verbrechen in Podcasts erzählen lassen und wie gehypt die Vermarktung der bekanntesten Serienmörder der Geschichte ist. Netflix Serien werden produziert, zum Einschlafen hört man "Mordlust" oder "ZEIT Verbrechen" und Co. und sagt sich immer wieder "dass man ja die psychologische Komponente so interessant findet." Ich nehme mich da keineswegs von aus, versuche mittlerweile aber viel mehr als früher zu hinterfragen, warum man solche Inhalte konsumiert und vor allem ganz klar kritisch zu sehen, dass diese Formate immer wieder die Täter*innen ins Zentrum rücken - mit dramatischen Erzählungen, charismatischen Darstellungen und psychologischen Deutungen. Gleichzeitig bleiben die Opfer meist namenlos und ungehört. Wieviele Namen von Serienmördern und Gewaltverbrechern können wir spontan nennen... und im Gegenzug wieviele Namen und Geschichten Ihrer Opfer? Es ist mehr als problematisch, dass sich unsere Gesellschaft immer wieder sensationsgierig an solchen Figuren abarbeitet. Damit bewirken wir letztlich genau das, was ihnen selbst außerordentlich gefallen hätte: Sie stehen im Mittelpunkt, ihre Taten werden immer wieder erzählt, und ihr krankhafter Narzissmus findet noch posthum Nahrung. 

 

Schweife ich ab? Nein. Dieser Blog soll nicht nur Fotos und reiseführerähnliche Berichte zeigen, sondern auch unsere Gedanken abbilden und das, was uns während der Tour beschäftigt. Und so streife ich also mit diesen ambivalenten Gefühlen und Gedanken durch die Burg, lese die Ausstellungstexte über Mord und Folter und mache Fotos von dieser gleichzeitig wunderschönen Burgruine... mit ihrer grausamer Geschichte.

 

Tatra

 

Auch in der Slowakei reicht unsere Zeit nicht aus um alles zu erkunden, was wir gerne sehen würden. Das Dorf Čičmany zum Beispiel, das berühmt ist für seine kunstvoll bemalten Holzhäuser, die wie überdimensionale Lebkuchenhäuschen wirken. Aber wir müssen "pünktlich" in Rumänien ankommen, im August besuchen wir das Rockstadt Extremefest, das größte Metal Festival Osteuropas und so drängt die Zeit ein wenig und wir fahren weiter Richtung Osten.

Von den sanften Hügeln und historischen Städtchen der Westslowakei führt uns unsere Reise weiter Richtung Tatra. Unterwegs wechseln die Landschaften beständig: Weite Felder, kleine Dörfer, Burgruinen auf Felsen und dichte Wälder ziehen vorbei, bis sich die sanften Hügel allmählich in imposante Berge verwandelten.

Schließlich erreichen wir Liptovská Kokava und unser gemütliches Minicamp Jana. Kaum angekommen, öffnet sich der Blick auf ein atemberaubendes Panorama: Der Nationalberg Kriváň ragt stolz in den Himmel, umgeben von den markanten Gipfeln der Hohen Tatra. Das Minicamp ist einer der schönsten Plätze auf unserer bisherigen Reise. Ich plane eine eigene kleine Kategorie im Blog zu eröffnen, um uns an die "Campingperlen" zu erinnern – Plätze, die außerordentlich schön waren, die nettesten Gastgeber*innen hatten und auf denen wir eine besonders tolle Zeit verbracht haben. So ein Ort ist Minicamp Jana. Im kleinen Dorf, hinter ihrem Wohnhaus, empfängt Jana auf Ihrer Wiese Reisende, die Lust auf Ruhe und Natur haben. Zur Begrüßung bekommen wir erst einmal slowakischen Schnaps eingeschenkt und sitzen in der kleinen Gemeinschaftsküche. Eine zweite Runde folgt und Jana erzählt uns welche Sehenswürdigkeiten es gibt und auf was es zu achten gilt. Das erste Mal auf unserer Reise sind wir in einem "Bären Gebiet" und später am Tag gibt es noch große Aufregung, da ein Mitcamper, der alleine unterwegs ist, von seiner Wanderung nicht zurückkehrt. Er wurde dann schließlich doch nicht von einem Bären angenagt und war nur sehr lange unterwegs, aber dass Jana sich um ihre Gäste sorgt, gibt Allen ein gutes, heimeliges Gefühl. Wir würden gerne länger bleiben, die wundervolle Ruhe, den Ausblick genießen. Aber nach 3 Nächten werden wir weiter ziehen Richtung Ungarn.

Die Tatra ist auf jeden Fall eine Empfehlung für alle Berg- und Wanderfreund*innen! Sie ist das höchste Gebirge der Slowakei und beeindruckt durch ihre Vielfalt. Wir sind in Liptovská Kokava auf einer Hochebene am südwestlichen Rand der Hohen Tatra (Vysoké Tatry), die für ihre schroffen Gipfel, tiefen Täler und kristallklaren Bergseen bekannt ist. Besonders der Kriváň, mit 2494 Metern einer der markantesten Gipfel der Region, gilt als Symbol der Slowakei und ist ein beliebtes Ziel für Wanderer. Westlich schließen die sanfteren Hügel der Westlichen Tatra an, während sich südlich die Niedere Tatra erstreckt, mit niedrigeren Gipfeln und weitläufigen Landschaften. Auch wenn ich, wie bereits erwähnt, kein großer Fan der Berge bin, so kann ich mich der Schönheit, die mich hier umgibt, nicht entziehen. Das mag vor allem an der Hochebene liegen – man ist nicht gleich umzingelt und gefangen in engen Schluchten sondern hat weite Sicht, viel Himmel und das Zusammenspiel der Farben ist wundervoll. Ich sehe goldgelbe Felder und weite Hügel mit grünen Wiesen, die Bege dunkel, dann wieder helle Stellen von der Sonne beschienen, ein Himmel, der tiefblau und dann dunkelviolett ist, große weiße Wolken, die Regen mit sich bringen und mit einem aufkommenden Wind der Landschaft eine wilde Atmosphäre geben. Ich wünschte, ich könnte all das besser einfangen, Landschaftsaufnahmen machen, die der Realität näher kommen, während Autofahrten anhalten und Ausschnitte auf Fotos bannen. Aber daran wird man sich auch in Zukunft noch oft erinnern müssen: das wertvolle ist der Moment, das Erleben, das, was wir sehen und der echte Wind, der uns in dem Moment um die Nase weht. Unsere Gesellschaft ist darauf fixiert ist, alles zu knipsen, zu posten, zu dokumentieren, zu zeigen. Auch dieser Blog ist ein Teil davon. Und gleichzeitig möchte ich mir immer wieder sagen, dass diese Fotos nur eine Stütze sind, uns nur helfen sollen, die echte Erinnerung wieder hervorzuholen. 

 

Spišský hrad / Zipser Burg

 

Die Zipser Burg gehört zu den größten Burgruinen Mitteleuropas. Mit ihrer gewaltigen Ausdehnung von über vier Hektar prägt sie seit Jahrhunderten die Landschaft und ist heute UNESCO-Weltkulturerbe. Wir nähern uns der Burg und wollen alle paar hundert Meter anhalten und ein neues Foto schießen. Es ist imposant, wie sie auf dem Felsen trohnt und es lässt sich kaum einfangen, wie mächtig sie erscheint. Die Anfänge der Burg reichen ins 12. Jahrhundert zurück, als an dieser strategisch wichtigen Stelle eine romanische Festung errichtet wurde. Im Laufe der Zeit wuchs die Burg zu einer mächtigen Anlage heran, die als königliche Residenz, Verwaltungssitz und später auch als Sitz des Adelsgeschlechts der Zápolya diente. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde sie mehrfach ausgebaut, erhielt gotische Wohngebäude und eine imposante Befestigung. Nach einem Brand im 18. Jahrhundert verfiel die Burg.

Besucher*innen können heute die weitläufige Anlage erkunden. Besonders eindrucksvoll sind die Oberburg mit den Resten des romanischen Palastes, der Kapelle und des imposanten Turms, von dem sich ein weiter Rundblick über die Zips (Spiš-Region) bietet und die Wehranlagen, die zeigen, wie aufwendig die Burg gegen Angriffe gesichert war.
Wir erwischen einen regnerischen Tag. Die Ruine ist beeindruckend, groß, weitläufig... und glitschig. Daniel ist trittfest und umrundet die gesamte äußere Burgmauer, ich halte mich etwas zurück und rutsche nur einen Teil entlang. Dann erkunden wir den inneren Teil mit Turm. Auch wenn Sonnenbilder mit blauem Himmel einladender wirken, mag ich die wolkenverhangene Aussicht durchaus. Die Kulisse mit Burg, Fels, Nebel und Regen wirkt dramatisch und wie aus einem düsteren Mittelalterfilm.

 

Der Kaltwasser-Geysir von Sivá Brada

 

Auf der Rückfahrt von der Zipser Burg machen wir noch einen kleinen Stop bei einem Hügel. Dieser trägt den Namen Sivá Brada – der „Graue Bart“. Schon von Weitem fällt die kleine barocke Kapelle auf, die den Gipfel krönt. Die Kapelle des Heiligen Kreuzes (slowakisch: Kaplnka svätého kríža) wurde 1666 errichtet. Der Hügel war früher eine Pilgerstätte, diente sowohl als Andachtsort für Reisende als auch als Ziel lokaler Wallfahrten. Direkt unter der Kapelle verbirgt sich ein Naturphänomen, das auf den ersten Blick gar nicht hierherpasst: ein Kaltwasser-Geysir.

Sein Ursprung ist ungewöhnlich. In den 1950er-Jahren wurde an dieser Stelle nach Heilwasser gebohrt – und statt einer Thermalquelle stieß man auf eine artesische Wasserader. Seitdem sprudelt aus der Tiefe mineralreiches Wasser, das Kalk mit sich führt und über die Jahrzehnte eine helle Travertin-Kuppe aufgeschichtet hat. Dadurch haben die Steine der Umgebung eine helle, fast weiße Farbe. Das Wasser blubbert und zischt in unregelmäßigen Abständen; manchmal steigt es nur sanft auf, manchmal soll es ganz kräftig empor schießen. Während unseres Besuchs gab es keine Fontäne zu bewundern, aber das Geblubber am Rande der alten Kapelle mit dem dramtischen Wolkenspiel am Himmel an diesem regnerischen Tag.. alles in allem für ein Black Sabbath Cover zu gebrauchen ;-) 

 

Budapest - und die Herausforderung durch ein Land zu reisen, in dem soziale und humanistische Werte die Donau runtersegeln... oder gar schon ertrunken sind.

 

Wir fahren weiter nach Ungarn und haben ambivalente Gefühle. Wir freuen uns auf Budapest, eine Stadt, die wir unbedingt sehen und erleben wollen. Und nicht nur die Hauptstadt hat viel zu bieten, Ungarn hat interessante Landschaften, Kultur und eine einzigartige Sprache. Hier klingt alles anders. Das Ungarische – oder Magyar, wie die Sprache im Land heißt – ist mit keiner der Nachbarsprachen verwandt. Während ringsum slawische Sprachen gesprochen werden, dazu Deutsch, Rumänisch oder Kroatisch, bildet das Ungarische eine sprachliche Insel in Mitteleuropa. Linguistisch gehört es zur finnisch-ugrischen Sprachfamilie und ist damit entfernt mit Finnisch und Estnisch verwandt. Worte wirken ungewohnt lang und voller Akzente, vieles ist für Mitteleuropäer kaum wiederzuerkennen. Gleichzeitig hat Ungarisch einen besonderen Klang – melodisch und rhythmisch, fast wie ein eigener musikalischer Fluss. Versucht zum Beispiel mal "Egészségedre" auszusprechen. Das bedeutet "zum Wohl" oder "auf deine Gesundheit" und auch wenn man es sich 5 mal vorlesen lässt, will es einem beim Nachsprechen nicht so leicht über die Lippen.

 

Im Westen von Ungarn liegt der Balaton, der größte See Mitteleuropas. Er wird oft das "ungarische Meer“ genannt und ist ein beliebtes Ziel für Badeurlauber und Weinliebhaber gleichermaßen, denn die Hänge um den See sind seit Jahrhunderten Weinbaugebiet. Wir meiden den Balaton, ich habe zu viele Mallorca-Vergleiche gehört.. Balaton, Ballermann.. ein Zufall? Wir reisen gerade mitten in der Hauptsaison und ich kann mir nichts schöneres vorstellen als überlaufene Touristenorte, fest in der Hand von betrunkenen Deutschen. (Ja, wir waren schon auf Mallorca, haben diese wunderschöne Insel von ihrer anderen Seite kennengelernt und es ist mir klar, dass es ähnlich reizvolle Orte am Balaton geben wird. Vielleicht ein anderes Mal.)

Zentral im Land breitet sich die Puszta aus – die große Tiefebene, wo weite Horizonte, Steppenlandschaft und Reitertradition zu finden sind. Im Norden hingegen erheben sich die sanften Mátra- und Bükk-Gebirge, die zu Wanderungen einladen. Besonders berühmt ist Ungarn für seine Thermalquellen. Schon die Römer und später die Osmanen nutzten das heiße Wasser, das reich an Mineralien aus der Tiefe sprudelt. Heute gibt es unzählige Bäder im ganzen Land – vom historischen Rudas- oder Gellért-Bad in Budapest bis zum riesigen Thermalsee von Hévíz.

 

Und wir entscheiden uns trotz dieser attraktiven Sehenswürdigkeiten sehr bewusst, nicht zu viel Zeit in diesem Land zu verbringen. Ungarn steht seit Jahren unter der Führung von Viktor Orbán und seiner Fidesz-Partei, die das Land Schritt für Schritt in einen illiberalen Staat verwandelt haben. Presse- und Meinungsfreiheit sind eingeschränkt, unabhängige Institutionen geschwächt, und Minderheiten wie LGBTQ+-Menschen oder Geflüchtete werden systematisch ausgegrenzt. Kurz vor unserer Reise legt Orban ein Gesetz vor, das Kritiker*innen des Regimes mundtot machen will, andere Meinungen sollen gesetzlich verboten werden. Unabhängige Medien sprechen von einer "Putinisierung" des Landes. Kurze Empfehlung an dieser Stelle: Wir hören während unserer langen Autofahrten zur Zeit den DLF Podcast "Dark Agent – Im Netz der Geheimdienste" (https://www.deutschlandfunk.de/dark-avenger-100.html) eine investigative Recherche zu einem der ausgeklügelsten Cyber Angrifffe unserer Zeit: "Operation Triangulation". Dabei wurden Smartphones weltweit in Spionagewerkzeuge verwandelt, um gezielt Menschen auszuspionieren. Da sich die meisten Menschen viel zu wenig mit den Zusammenhängen von digitaler Sicherheit, internationaler Politik und moderner Überwachungstechnologie auseinandersetzen, kann ich diesen niedrigschwelligen, spannenden Podcast jedem nur ans Herz legen. Putin und Orban kommen selbstverständlich auch vor und es wird uns ein wenig schlecht, während wir den Folgen lauschen und durch den ungarischen Überwachungsstaat fahren. Wir machen auch gleich eine Klischee-Erfahrung: Wir lernen Deutsche Auswanderer kennen. Ich lese im Auto noch einen Bericht über die Tatsache, dass extrem viele Deutsche in den letzten 5 Jahren nach Ungarn ausgewandert sind - die Sorte Deutsche, die davon überzeugt sind, dass man ja bei uns nix mehr sagen darf und Ungarn das Land der Freiheit und Sicherheit ist, ohne linke Meinungsdiktatur. Ich frage mich mal wieder wo und wann dieser linke Staat existiert, denn seit ich auf der Welt bin hat die CDU 32 Jahre lang regiert, wir haben einen rechtskonservativen neuen Bundeskanzler, die AFD liegt bei 25 % und Bully Herbigs unsäglicher Sch...Film, den alle als das Ende der Wokeness-Ära feiern, legt den erfolgreichsten Kinostart seit Jahren hin. Linker Staat, ich seh dich nicht, bitte zeig Dich! Wir wären an einer Einbürgerung interessiert.

Ok, also dumme, rechte Deutsche, die auswandern weil sie zuhause "unterdrückt" werden und in ein Land gehen, das offziell den Titel "Demokratie" von der EU aberkannt bekommen hat und einem Autokraten die Füße küssen, der systematisch Pressefreiheit einschränkt, Medienkontrolle ausübt und so ziemlich alle marginalisierten Gruppen unterdrückt... What can I say - vielleicht kriegt man das Führer-Ding aus den Deutschen nicht raus. Jedenfalls begegnen uns tatsächlich solche Menschen. Wie es so ist beim Reisen – man spült am Waschhaus sein Geschirr und schwuppdiwupp erzählt Irmgard von der Mosel, dass ihr Sohn jetzt am Balaton lebt, so wie "viele kluge Menschen" aus Deutschland und sie und Günther lieben es, ihn und die Enkel zu besuchen und in Ungarn Urlaub zu machen, hier gibt es dank Orban nämlich keine "Ausländer" und das Land ist ja "so sicher" und in Deutschland, nun ja, "da hält man es ja nicht mehr aus mit der cancel culture" und "als Frau kann man sich ja auch nicht mehr auf die Straße trauen, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir verschleiert werden" und "sowas möchte man ja nicht für seine Enkelkinder."
So sprach sie, Irmgard, 66, Haus in den Weinbergen, Blick auf die Mosel, unterwegs mit einem ca. 120.000 Euro-Hymer-Wohnmobil.

Beweisführung im Fall privilegierte weiße Rechte, die nichts mehr sagen dürfen

abgeschlossen.

 

Zurück zu den schönen Budapest-Momenten.

 

Selbstverständlich wissen wir, dass es immer auch Gegenbewegungen gibt und Menschen, die laut sind, auf die Straße gehen, sich wehren. Wie sehr haben wir alle den CSD in Budapest gefeiert – trotz des Verbots von öffentlichen LGBTQ+ Veranstaltungen organisierten Aktivist*innen und Bürgermeister Gergely Karacsony die Parade als "Stadtfest". Wir werden später an einer Statue von Endre Ady vorbeikommen, über die ich mich freue, denn wie erstaunlich gut passen seine Gedichte wieder in die heutige Zeit. Ady wurde 1877 geboren und gilt als einer der beudetensten ungarischen Dichter. Viele seiner Werke verbinden soziale Kritik, politische Wachsamkeit und existentielle Themen wie Vergänglichkeit, Tod und Liebe. Endre Ady kritisierte die Rückständigkeit und sozialen Missstände in Ungarn und gilt als eine Stimme für Erneuerung. Er starb schon mit 41 Jahren an den Folgen einer Syphiliserkrankung. Dennoch hat er die ungarische Literatur tief geprägt und wird bis heute als einer der großen modernen Dichter des Landes von vielen verehrt. Es gab sie schon immer, die Wiederständler*innen, Künstler*innen, Philosoph*innen, Aktivist*innen... das macht Mut und wir wollen uns auf Budapest mit den besten Gefühlen einlassen und die Stadt ein wenig kennenlernen.

 

Und es hat sofort gefunkt! Budapest ist so viel! Wundervoll, prunkvoll, alternativ, bunt, groß und gleichzeitig übersichtlich, touristisch, historisch, modern, authentisch, gut riechend, chillig, aufregend... alles. Budapest ist eine Stadt, die einen in ihren Bann zieht. Geteilt von der majestätischen Donau, verbinden sich das hügelige Buda mit seinen Burgen, Kirchen und engen Gassen und das flache, lebendige Pest mit Boulevards, Kaffeehäusern und einer pulsierenden Kulturszene. Erst 1873 wurden die beiden Städte Buda, Pest und Óbuda offiziell zu einer einzigen Metropole vereint – ein recht junges Kapitel in einer langen Geschichte, die von Römern, Osmanen, Habsburgern und Revolutionären gleichermaßen geprägt wurde.

Beim Schlendern durch die Straßen spürt man die unterschiedlichen Epochen und Geschichten in den Gebäuden und Straßen: da ist das monumentale Parlamentsgebäude direkt an der Donau, prächtige Jugendstilfassaden an breiten Boulevards, elegante Cafés, klassische Buchhandlungen, imposante Kirchen. Es ist ein Gefühl, wie es Städte wie Paris, Wien oder Prag vermitteln.

Mitten in diesem historischen Glanz hat Pest seine ganz eigene, moderne Seele. Die Stadt ist bunt und unkonventionell, jung und kreativ. Hinter Graffiti-Fassaden verstecken sich Ruin Bars – Bars in alten, verfallenen Häusern, wo bunte Lichter, Kunstprojekte und Möbel aus recyceltem Material eine wunderbare Atmosphäre schaffen. Es ist chaotisch und magisch, die Straßen füllen sich abends mit Straßenkünstler*innen und kleine Läden und 2nd Hand Shops haben spät geöffnet und man möchte überall hineinschauen und verrückten Schnickschnack kaufen.

 

Wir laufen viele Stunden und viele Kilometer durch die Stadt, lassen uns treiben, essen Lángos, trinken Eiscafé, brüten an der Donau in der Hitze, schauen uns Sehenswürdigkeiten an, trinken Bier, trinken Coctails, besuchen Ruinenbars, Metal- und Rockkneipen, eine Horrorfilm-Bar... und sind ein wenig traurig, als wir durch die beleuchteten Straßen zur Tram laufen, den Duft von den verschiedensten Imbissen in der Nase, vorbei an so vielen weiteren, einladenden Pubs, Menschen, die draußen sitzen und den Sommer genießen... um den letzten Bus zurück zum Campingplatz zu kriegen. Wir sind uns ganz sicher: wir kommen wieder. Städtetrip Budapest, nochmal ein paar Tage ohne Zeitdruck weiter eintauchen... wer möchte mit?!

 


Ihr Hüter auf Wache, habt acht! 

Das Leben will leben und lebt. 

Es schenkt nicht deshalb soviel Schönes, 

Damit es in Flammen zergeht, 

Durch dumme und gierige Greuel. 

So traurig das Menschsein auch ist, 

Die Losung der heldischen Bestien, 

Die Sterne verstreuende Nacht, 

Sie lassen auch heut nicht vergessen 

Den Glauben, durch Schönheit entfacht. 

Ihr, die ihr noch da seid, bewahrend – 

Ihr Hüter auf Wache, habt acht! 

 

aus: Endre Ady, Der verirrte Reiter, Mahnungen an die Hüter



Auf dem Budapester Freiheitsplatz stößt man auf ein besonders kontroverses Denkmal. 2014 ließ die ungarische Regierung ein Monument errichten, das angeblich an die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg erinnern soll: ein Engel, der von einem deutschen Reichsadler angegriffen wird. Viele Menschen empfanden dieses Bild jedoch zurecht als Geschichtsverfälschung, weil es Ungarn lediglich als Opfer darstellt und die aktive Beteiligung ungarischer Behörden an der Deportation und Ermordung vieler Juden und Jüd*innen verschweigt.

 

Als Antwort formierte sich zivilgesellschaftlicher Widerstand. Direkt vor dem Monument entstand ein Gegen-Denkmal: eine improvisierte Installation aus Fotos, Kerzen, Koffern, Briefen und persönlichen Erinnerungsstücken von Nachfahren der Opfer. Dieses Mahnmal erzählt die verdrängte Geschichte – von ungarischen Tätern, Mitläufern und den Leidenswegen jüdischer Familien.

 

Der Widerstand gegen diese staatliche Erinnerungspolitik kam nicht nur von Aktivist*innen und Nachfahren der Opfer, sondern auch von prominenten Persönlichkeiten. Schon 2012 gab der Literaturnobelpreisträger Elie Wiesel den ihm verliehenen Großen Verdienstorden Ungarns zurück – aus Protest gegen die Verharmlosung der ungarischen Rolle im Holocaust und die Rehabilitierung von Kollaborateur*innen. Wenige Jahre später lehnte auch der in Rumänien geborene ungarischsprachige Schriftsteller György Dragomán einen renommierten Literaturpreis ab, weil er nicht von einer Regierung ausgezeichnet werden wollte, die mit diesem Denkmal Geschichtsfälschung betreibe.

 


 

„Nicht eure Banner,

nicht euer Stolz,

nicht die Worte von Helden in gold’ner Schrift

werden uns retten.

Wer das Leben liebt, liebt es überall,

nicht nur auf diesem Boden,

nicht nur unter dieser Fahne.“

 

aus: Endre Ady, Die Flagge



Ein besonders eindrucksvolles Mahnmal befindet sich direkt an der Donau: die „Schuhe am Donauufer“. Dort, wo im Winter 1944/45 Angehörige der faschistischen Pfeilkreuzler-Miliz Juden und Jüd*innen zusammentrieben, zwang man die Menschen, ihre Schuhe auszuziehen, bevor sie am Flussufer erschossen wurden. Die Körper fielen in die Donau, die Schuhe blieben zurück.

Zur Erinnerung wurden hier 60 Paar eiserne Schuhe aufgestellt – alte Lederschuhe, elegante Pumps, Kinderschuhe, abgetretene Stiefel. Sie wirken, als hätten ihre Besitzer*innen sie gerade erst ausgezogen. Oft legen Menschen Kerzen, Blumen oder kleine Steine hinein, wie es im jüdischen Gedenken Tradition ist.


Puszta Eldorado

Unsere Fahrt von Budapest nach Tiszaszőlős führt uns aus dem Großstadtfeeling hinaus in die ungarische Tiefebene. Mit jedem Kilometer wird die Landschaft offener und der Horizont scheint unglaublich weit. Die Puszta ist Ungarns ländliche Seele. Endlose Grasflächen, vereinzelte Baumgruppen, Kanäle und kleine Seen prägen das Bild. Hier leben die Traditionen der ungarischen Viehhirten, die Csikós, noch weiter – mit Pferden und Reitkunst, die seit Jahrhunderten gepflegt wird. Die Puszta ist eine der größten Steppenlandschaften Europas und wurde 1999 zum UNESCO-Biosphärenreservat erklärt. Typische Tiere sind Wildpferde, Rinderherden und zahlreiche Vogelarten, darunter Störche und Reiher.

 

Wir mussten unsere Pläne etwas umbauen– Daniel war einen Tag krank und wir verbrachten mehr Zeit auf dem Campingplatz in Szentendre, nähe Budapest. So blieb uns nur ein Tag in der Puszta, also keine Zeit die Landschaft zu erkunden und mehr ein "Transfer" auf unserer Reise nach Rumänien. Aber es hatte auch etwas Gutes: unser ursprünglich gebuchter Campingplatz (der eigentich "Eldorado" hieß) sagte uns ab, da der Mindestaufenthalt 2 Nächte betrug und so führte uns der Zufall zu Ruben und Aletta und ihrer absolut wunderbaren kleinen Lodge - eine Mischung aus B&B und Campingplatz. Für uns wurde es das wahre Puszta Eldorado :-D Wir hatten so erholsame, wundervolle Stunden, konnten komplett abschalten, haben im Pool gechillt, auf der Veranda den Sonnenuntergang mit Blick in die weite Puszta genossen und ungarischen Wein verköstigt. Dieser Ort war eine richtig kleine Oase und Ruben ist einfach der beste, entspannteste und sympathischste Gastgeber. Seine Devise: 80 % reicht! Sich frei machen von zu hohen, perfektionistischen Ansprüchen. Ja, es gibt immer was zu tun, immer was zu verbessern, aber für heute:

80 % reicht und lieber einmal durchatmen und den Sonnenuntergang genießen. Hach, wenn wir das alle im Alltag ein bisschen besser könnten...
Am nächten Morgen gibt es ein leckeres Frühstücksbuffet und mit ein paar Flaschen regionalem Wein im Gepäck, den wir aus Rubens Weinkeller-Bunker abgestaubt haben, geht es nun endlich zum ersten großen "Hauptziel" unserer Reise: Rumänien! Drei Wochen Wälder, Schlösser, Kirchburgen, historische Städtchen, Karpaten und das Rockstadt Extremefest Festival in Transsilvanien warten auf uns. Wir sind so gepspannt!